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Eintrag vom 12.06.2020
Zitat (https://www.amazon.de/Emotionale-Aktivierungstherapie-EAT-Embodiment-Aktion/dp/3608892400):
Mit den hier dargestellten Embodiment-Techniken lernen PsychotherapeutInnen, den Körper als Verbündeten in einem für PatientInnen notwendigen Veränderungsprozess zu sehen und einzusetzen. Die enge Wechselwirkung zwischen Körper und Psyche wird genutzt, um eine gute Selbst- und Emotionsregulation zu fördern.
- Ansatz ist in der »Dritten Welle der Verhaltenstherapie« verankert
- Neurowissenschaftlich fundiert
- Mit vielen praktischen Beispielen und Fallgeschichten
Neurowissenschaftliche Forschungen bestätigen auf eindrucksvolle Weise die enge Wechselwirkung zwischen Körper und Kognition. Moderne Ansätze in der Psychotherapie tragen dem zunehmend Rechnung, indem nicht nur darauf geachtet wird, wie sich psychische Emotionen in Körper, Mimik, Gestik und Stimmlage ausdrücken, sondern die Tatsache genutzt wird, dass diese auch umgekehrt unser Denken und Fühlen beeinflussen. In diesem Buch zeigen die Autoren auf praktisch nachvollziehbare Weise, wie Handeln, Wahrnehmung und Emotion miteinander verzahnt sind und wie sich diese Erkenntnisse fruchtbar in die Psychotherapie umsetzen lassen. Die anschaulich beschriebenen Embodiment-Techniken ermöglichen eine behutsame Entschlüsselung der emotionalen Mechanismen beim Klienten und fördern eine tiefere und schnellere Einsicht, als dies allein mit Gesprächen möglich wäre. Gleichzeitig wird die Kraft der Emotionen für erfolgreiche Handlungsplanung und Veränderungsprozesse genutzt.
Dieses Buch richtet sich an:
- Psychologische PsychotherapeutInnen
- Ärztliche PsychotherapeutInnen
- VerhaltenstherapeutInnen
- Integrativ arbeitende TherapeutInnen
- Coaches |
Trotz der angeführten Kritik könnte die fast schon spielerische Methodik der präsentierten Therapieform ein gewisses Potenzial für bestimmte Personengruppen bergen. Ich könnte mir vorstellen, dass beispielsweise Kinder mit traumatischen Erfahrungen eher auf diese Weise zugänglich sind als Erwachsene. Darüber hinaus sehe ich Parallelen zur Schauspieltechniken, die Darsteller während ihrer Ausbildung erlernen, um ihren Zuschauern durch ihre Gestik und Mimik bestimmte Emotionen bestmöglich zu vermitteln. Beispiele hierfür sind Atemtechniken oder „Powerposing“ und die Definition des peripersonellen Raums. |
Nicht selten treten Psychotherapeuten und Motivationstrainer als Autoren auf. So haben auch die vorliegenden Autoren formal mehr als genug akademische Qualifikation, um Therapiekonzepte zu präsentieren. In diesem Fall soll die emotionale Aktivierungstherapie (EAT) das verhaltenstherapeutische Spektrum revolutionieren. Patienten sollen dabei vom therapeutischen Einsatz ihres Körpers profitieren, um die eigenen Gefühle und das damit verbundene Verhalten besser kennenzulernen. Die Beschreibungen bieten jedoch nicht viel Neues und manches Kontroverses: Beschreibungen von Situationen, in denen sich ein Patient beispielsweise in einen Seilkreis stellen und seine Reaktion auf das Bewerfen mit Luftballons ausgetestet werden soll erinnern in ihrer Symbolik fast schon an die Deutung von Rorschach-Bildern. Die wiederholte psychologische Metapher des Reiters und seinem Elefanten, deren Interaktion das Ergebnis das Verhalten des Patienten ist, stellt im Kern nicht mehr als Freuds altbewährte Theorie vom Es, Ich und Über-Ich dar. Strategien zur Stärkung der Selbstwirksamkeit sollen dem Patienten dabei das Gefühl geben, seine Situation proaktiv beeinflussen zu können. Der Reiter lässt sich – so wie von diesem wiederum der Elefant – vielleicht erziehen, jedoch wird dabei ignoriert, dass manche unangenehmen Situationen nicht beeinflusst werden können, sodass Patienten letztlich kein Konzept an die Hand gegeben wird, sporadischen Dissonanzen zwischen der Erwartung und der Realität stoisch zu standzuhalten. Die EAT will den Ansprüchen aller Schulen gerecht werden, ignoriert aber deren integrale Arbeitshypothesen oder übernimmt diese ohne Referenz: Erst wird beispielsweise zugunsten der Reiter-Metapher ein aristotelischer Rationalismus in den Boden gestampft, um schließlich jedoch von dessen Hebammentechnik zu profitieren – der Patient soll selbst auf die Antworten auf seine Fragen stoßen. Die fragwürdige innere Kohärenz erinnert mich an das British Museum, das voller wertvoller Plunderstücke ist, die nebeneinander betrachtet letztlich keine inakkurate Geschichtserzählung ergeben, von denen man jedoch weiß, dass sie eigentlich dort ausgestellt werden sollten, wo sie ihren Ursprung haben. Insofern imponiert die EAT vergeblich mit holistischer Repräsentanz, wenn berücksichtigt wird, dass Patienten nicht nur eine unterschiedliche Empfänglichkeit für derart theatralische Methoden haben, sondern durch den erhobenen Anspruch, dass die EAT nicht nur eine Alternative oder Ergänzung, sondern geradezu eine verhaltenstherapeutische Weiterentwicklung sei, diese auch zu Versuchsobjekten degradiert werden, indem Ärzte und andere Verantwortungsträger ohne ausreichende wissenschaftliche Grundlage und auf der singulären Grundlage dieses Buches zur Anwendung motiviert werden, um herauszufinden, wie Patienten darauf reagieren könnten. Die geschilderte Methodik lässt ein Mindestmaß wissenschaftlicher Abstraktion vermissen, denn sie basiert größtenteils auf konkreten Patientenbeispielen, die im Namen einer induktiven Pädagogik präsentiert werden, den Gütekriterien einer allgemeingültigen Evidenz jedoch keinesfalls gerecht werden. Wenn Studien zitiert werden, erfolgt dies auf eine zu unkritische und ungenaue Weise: Die Aktivierung bestimmter Körperareale als Reaktion auf bestimmte Emotionen wird als transkulturelles und -temporales Phänomen beschrieben, aber was konkret die Aktivierung sei, bleibt schleierhaft. Eine Erhöhung der Körpertemperatur oder Durchblutung vielleicht?
„Weniger reden, mehr erleben“ sei das Credo. Ich sehe es äußert kritisch, Patienten zugunsten einer experimentellen Methode nicht mehr zu erlauben, ausreichend über ihre Gefühle zu sprechen. Statt konkurrierender Prioritätsmodelle wird zwar zurecht ein transaktionales Modell von Aktion und Reaktion skizziert, bei dem also nicht zwangsläufig die eine auf die andere folgen muss, jedoch die falsche Prämisse der EAT daraus abgeleitet, dass Emotionen vor allem über Handlungen – oder die Physik im Allgemeinen – zugänglich seien. Dabei ist auch die Berücksichtigung der Psychomotorik inklusive Gestik und Mimik des Patienten im Rahmen eines psychopathologischen Befunds keine therapeutische Revolution, sondern etablierter Standard.
Das vorgestellte Konzept der EAT ist nicht weniger linear als eine Kombination des klassischen SORKC-Modells und der pawlowschen Konditionierung, wenn davon berichtet wird, dass beispielsweise bestimmte Verhaltensweisen von Eltern emotionalen Schaden anrichten und dieser sich wiederum in dem Verhalten und den Emotionen der Patienten wiederspiegeln. Dabei gehen die Autoren sogar so weit, dass auch romantische Beziehungen nicht mehr als die gegenseitige Befriedigung von Bedürfnissen seien, die wiederum ein Ergebnis verschiedener Kindheitserlebnisse seien – als stereotypes Beispiel wird unter anderem der alkoholkranke Vater genannt. |
Wie in der Einleitung angedeutet, wird das vorliegende Werk als leichte Bettlektüre, jedoch nicht als wissenschaftliches Kompendium in meinem Bücherregal eher Platz bei ähnlichen Autoren wie Dale Carnegie finden. Ich habe ein höheres inhaltliches Niveau erwartet und wurde enttäuscht. |
keine bestimmte Zielgruppe |
eigentlich keine |
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